bookmark_borderCall of the Sea

Ich wollt ich wär unten im Meer …

1934. Norah und Harry Everhart sind einander in treuer Liebe verbunden – eine Liebe, die von Tragik überschattet wird. Norah leidet unter einer mysteriösen Krankheit, die sie schwächt und seltsame Flecken auf ihren Händen erscheinen lässt. Ihre Mutter ist bereits daran verstorben, und auch Norahs Lebenzeit scheint begrenzt, nichts scheint gegen die Krankheit zu helfen. Archäologe Harry, statt die Zeit zu genießen, die ihnen noch gemeinsam bleibt, setzt alles auf eine Karte und bricht mit einer Expedition auf, um eine Heilung für Norah zu finden – und, wie sollte es anders sein, geht dabei verloren. Jetzt bleibt Norah, statt sich zu schonen, nichts anderes übrig, als hinterher zu reisen, und so folgt sie, im Gepäck ihr Tagebuch und das seltsame Messer, das sie per anonymer Post bekommen hat, dem Mann in die Südsee. Dort, in der Nähe von Tahiti, wurde Harrys Expedition das letzte Mal gesehen – und dort soll sich auch Norahs Schicksal entscheiden …

Verschollene Expeditionen sind im Computerspiel ein alter Hut. Sie bewähren sich besonders im Walking Simulator, weil in diesen Spielen voller einsamen Landschaften und leeren Häusern üblicherweise keine Lebewesen angetroffen werden, nichts, was eine Animation erfordern würde, und Expeditionen ihre Fortschritte gern so akribisch dokumentieren, dass schön viele herumfliegende Dokumente eingesammelt werden können, aus denen man sich das Schicksal der Verschollenen zusammenreimen kann.… Weiterlesen “Call of the Sea”

bookmark_borderTrainslation

Ich versteh nur Bahnhof!

Ich träume von U-Bahnen. Seit vielen Jahren geht das so, angefangen hat es noch in meinem Studium: Immer wieder finde ich mich in meinen Träumen in U-Bahn-Stationen wieder oder in U-Bahn-Zügen, die dann auch mal vom Kölner Ebertplatz direkt nach Basel fahren. Es sind keine schlimmen Träume. Ich fahre gerne U-Bahn. Aber das Motiv taucht wirklich so häufig bei mir auf, dass ich sogar Traumdeutungsbücher zurate gezogen habe, um herauszufinden, was mir das Unterbewusstsein da sagen will. Entweder leide ich darunter, dass mein Leben in zu festen Bahnen (auf Schienen) verläuft und will daraus ausbrechen. Oder ich mag einfach U-Bahnen wirklich gern. Und ich glaube, es ist letzteres. Ich habe diese Träume immer noch, und über zu viele fixe Strukturen in meinem Leben muss ich mich als freiberufliche Autorin, die nie weiß, was die Zukunft bringt, nun echt nicht beschweren.

Jetzt lebe ich in einer Stadt, die keine U-Bahn hat, und die nächstgelegene Großstadt auch nicht, und nur zum U-Bahn-Fahren fahr ich jetzt nicht nach Köln, so groß ist diese Leidenschaft auch wieder nicht. Aber ich freue mich, wenn ich ihr in einem Computerspiel nachgehen kann. Ich habe mich schon an Metro versucht (und bin an dem Versuch gescheitert, das Spiel auf Russisch zu spielen, weil dafür mein Russisch einfach noch viel zu schlecht ist).… Weiterlesen “Trainslation”

bookmark_borderCaligo

Rumsteh-Simulator 1.0

Im richtigen Leben habe ich es nicht so mit Spaziergängen. Ohne Gewaltandrohung bekommt man mich nicht vor die Haustür. Und warum auch? Wenn ich ein bisschen spazierengehen will, gibt es schließlich Walking-Simulatoren. Und dass ich dieses von vielen als stinklangweilig verachtete Spielegenre sehr gern habe, sollte inzwischen kein Geheimnis mehr sein. Dabei gibt es Abstufungen: In manchen dieser Spiele kann man zumindest ein bisschen mit der Umwelt interagieren, läuft nicht nur von A nach B, sondern trägt dabei Informationen zusammen, die einem üblicherweise die Geschichte erzählen, warum da, wo man gerade herumläuft, ansonsten kein Mensch mehr zu finden ist. In anderen läuft man nur herum, während eine Stimme aus dem Off etwas erzählt. Und in wieder anderen muss man richtiggehend arbeiten, während man sich möglichst frei in einer bezaubernd gestalteten Welt bewegen und umschauen kann.

Ich schätze insbesondere solche Walking-Simulatoren, die mich eine Welt erleben lassen, die es so draußen vor der Tür nicht geben kann. Ein Simulator für einen Waldspaziergang, und mag es noch so realistisch gestaltet sein, reizt mich nicht – ehrlich, da kann ich auch meine Schuhe anziehen und in einen richtigen Wald gehen. Aber eine surrealistische Traumwelt bei vollem Bewusstsein erleben können – sowas mag ich. Dann brauche ich auch keine große Handlung und keine interaktiven Elemente: Auch wenn dann nicht mehr viel von dem übrig bleibt, was ein Spiel zum Spiel macht, und man es stattdessen mehr mit einem dreidimensionalen Gemälde zu tun hat, finde ich das toll.… Weiterlesen “Caligo”

bookmark_borderNevermind

Wenn es mir nur gruselte!

Zu den vernichtendsten Urteilen, die mein Vater über einen Künstler (insbesondere einen Autor) zu fällen pflegte, gehört ohne Zweifel der Satz »Er wollte wesentlich werden.« Vorzugsweise über jemanden aus der Unterhaltungsbranche, dem es nicht mehr ausreichte, zu unterhalten, und der daraufhin ein pseudophilosophisches Geschwurbel von sich gegeben hat. Das konnte zum Beispiel eine Folge der Krimiserie »Derrick« sein, aber auch Bücher, Comics, Musik, nichts war gefeit vor dem Todesurteil »wesentlich«. Nichts gegen Anspruch, aber auch nichts gegen einfache Unterhaltung: Das Problem ist »gewollt und nicht gekonnt«. Mein Vater, um Missverständnissen vorzubeugen, erfreut sich bester Gesundheit, wir haben nur zu lange kein Derrick mehr geschaut. Und ich stelle fest, das gilt auch für Computerspiele. So habe ich mich im vergangenen Jahr durch das völlig zerredete The Old City – Leviathan gearbeitet, das außer Küchenphilosophie und Postkartenmotiven nicht viel zu bieten hatte.

Aber The Old City – Leviathan wollte unterm Strich auch nicht mehr, als eine Geschichte erzählen. Nevermind hingegen, das ich gerade beendet habe, verspricht viel mehr. Es will nicht nur die Abgründe der menschlichen Seele erforschen, sondern dazu noch mich, den Spieler, dahingegend ausbilden, meine eignenen Ängste, Sorgen und Gefühle besser zu verstehen, auf Stressstituationen zu reagieren, und am Ende der vielleicht fünfstündigen Spielzeit wie ein neuer Mensch daraus hervorzugehen.… Weiterlesen “Nevermind”

bookmark_borderAutumn Dream

Me English nicht verstehen

Ich lerne seit einem halben Jahr Russisch. Das heißt, ich habe das erste Volkshochschulsemester hinter mir. Mit einem halben Jahr Russisch kommt man noch nicht weit, aber ich suche immer nach Möglichkeiten zum Üben, und ich hatte die großartige Idee, das mit Computerspielen zu tun. Schließlich kommen viele tolle – oder weniger tolle – Spiele aus Russland, Wimmelbildspiele zum Beispiel, und wenn ich die auf Steam dann so einstelle, dass ich sie im Original spielen kann, lerne ich meine Vokabald auf spielerische Weise. Zumindest in der Theorie. Ich habe es versucht mit dem Spiel Dance of Death, und es war ein Flop. Das Spiel ist so unglaublich schlecht, die einzige Sprachausgabe grammatikalisch falsches Englisch mit russischem Akzent, die grobkörnige Schrift nicht zu entziffern, die Graphik unattraktiv, dass ich den Versuch schnell wieder aufgegeben habe. Dafür konnte ich jetzt mit einem ganz anderen Spiel meine Fremdsprachenfähigkeit verbessern.

Autumn Dream nennt sich der Titel des Indie-Spieleentwicklers GDNomad, von dem auf eine ganze Reihe billigster Horrorspiele mit niederschmetternden Bewerungen zu finden sind. Ich habe alle, schließlich hat mich keine von ihnen mehr als 50 Cent gekostet, und für 50 Cent schreibe ich auch gern einen lustigen Verriss. Autumn Dream belegte schon seit längerem ein gutes Gigabyte auf meiner Festplatte, und weil die natürlich mal wieder viel zu klein ist und ich den Rezensionen entnommen habe, dass das Spiel in weniger als einer Stunde durch ist, klang das wie schnell verdienter Festplattenplatz.… Weiterlesen “Autumn Dream”

bookmark_borderHouse of Caravan

Da wackelt das Haus!

Manchmal hat man schon den Eindruck, dass »Walking Simulator« ein Synonym ist für »Wir sind unfähig, irgendwas Belebtes in unsere Spiele zu programmieren«. Und wo einige dieser Spiele im Gegenzug eine tolle Geschichte präsentieren, die sich nach und nach entfaltet, hat man bei anderen das Gefühl, dass die Macher ein Setting ohne Spielelemente hochgeladen haben und es unter dem Deckmäntelchen »Walking Simulator« ein Spiel nennen. House of Caravan ist irgendwo dazwischen angesiedelt, ein begehbares, leicht gruseliges Haus mit einem Hauch von Handlung, einer lachhaften Physikengine, drei Puzzeln, die den Namen nicht wirklich verdienen – aber dabei so unerträglich verbuggt, dass es wirklich keinen guten Eindruck hinterlässt. Ich habe es trotzdem bis zum Ende durchgespielt, und ich muss sagen, dass dem Spiel etwas gelungen ist, dass ich bei anderen vermeintlichen Gruselspielen der jüngeren Zeit nicht hatte: Ich habe mich gegruselt. Nicht ständig, und nur ein bisschen, aber immerihn. In dieser Hinsicht: Ziel erreicht. In aller anderer Hinsicht: Setzen, sechs.

Entgegen des holprigen Titels sitzen Rosebud Games, die Macher dieses Schmuckstücks, nicht irgendwo in Osteuropa, sondern in Barcelona. Trotzdem ist man geneigt, den Titel House of Caravan mit dickem russischen Akzent auszusprechen. Tatsächlich spielt das Spiel in der Gegend von Boston, und wir befinden uns im Jahr 1910.… Weiterlesen “House of Caravan”

bookmark_borderThe Old City – Leviathan

Das wird der Weinreinbringer sein!

Viele finden sie langweilig – ich mag das Konzept von Walking Simulatoren. Manchmal möchte man nicht viel machen als herumlaufen und sich umsehen: Weg vom Spiel als solchen, hin zu einem dreidimensionalen Kunstwerk, das man von allen Seiten bewundern und erleben möchte. Unterlegt man das Ganze auch noch mit einer Erzählung, kann man auf diese Weise ganz bezaubernde Welten erschaffen, Geschichten erzählen, Schicksale fühlbar machen – wenn man es gut macht. Zu schnell ist die Grenze zwischen Philosophie und Geschwafel überschritten, wird Kunst zu Schwulst, und leider ist das bei The Old City – Leviathan passiert. Wunderschöne Screenshots laden zum Erkunden ein, der Klappentext verspricht Tiefgang, und kann man einem Spiel widerstehen, bei dem ein Wal mitten in der Stadt herumliegt und in der Postapokalypse einen Hauch von Surrealismus verspricht?

Leider beheht The Old City den ersten Fehler schon während des Ladebildschirms. Ein Warnhinweis wird eingeblendet: »Achtung! Sie betreten einen zerbrochenen Verstand! Nehmen Sie nichts von dem, was Sie sehen oder hören, für selbstverständlich!«. Wirklich, Sherlock? Danke der Warnung. Tatsächlich hätte ich mir das gerne selbst zusammengereimt. Man erfährt, peu à peu, was unseren Protagonisten, aus dessen Augen wir die Welt in Egoperspektive sehen, um den Verstand gebracht hat, aber das Spiel nimmt mir die Chance auf Erkenntnis.… Weiterlesen “The Old City – Leviathan”