bookmark_borderHoly Potatoes! A Weapon Shop?!

Alles Tolle aus der Knolle

Als Autor kann man sich jeden Scheiß erlauben, aber nur, wenn man für Computerspiele schreibt. Komme ich mit der Idee eines Romans, in dem eine anthropomorphe Kartoffel die Waffenschmiede ihres Großvaters erbt, rufen Leser, Verlage und meine Agentin unisono »Was hast du geraucht?«. Bei Computerspielen hingegen heißt es dann »Was hast du geraucht? Geiler Scheiß! Das machen wir!«. Und obwohl ich die Idee sprechender Kartoffeln nicht sonderlich witzig finde, mit Simulationen und Zeit-Management-Spielen wenig anfangen kann und das Spiel auf Steam bereit als »Interessiert mich nicht« weggeklickt hatte, stehe ich nun, Bundle sei Dank, mit Holy Potatoes! A Weapon Shop? da – und mit dreißig Stunden Spielzeit, sämtlichen verfügbaren Achievements und beendeter Kampagne plus Add-On. Irgendwas muss an diesen Kartoffeln also doch dran sein.

Eigentlich mag ich Zeitmanagement-Spiele sogar ganz gerne. Sie neigen nur dazu, mich völlig zu stressen, bis ich die Lust verliere. Ich komme beruflich aus dem Einzelhandel, unter anderem. Will ich dann auch in meiner Freizeit hinter nörgelndem Kunden herhetzen, die motzend den Laden verlassen, wenn es ihnen nicht schnell genug geht? Bei den meisten solchen Spielen ist der erste Akt noch gut zu schaffen, danach ziehen Tempo und Schwierigkeit so an, dass ich den Spaß verliere, und als ich Holy Potatoes!… Weiterlesen “Holy Potatoes! A Weapon Shop?!”

bookmark_borderThe Turing Test

Mensch, Maschine, Kohlkopf

Nach den letzten Spielen, die ich hier rezensiert habe, könnte man meinen, das einzige Genre, in dem ich mich wohlfühle, sind mehr oder weniger gruselige Walking Simulatoren, in denen man nicht viel zu tun hat, außer durch die Gegend zu laufen und ab und zu mal irgendwas relevantes anzuklicken. Das stimmt natürlich nicht – aber für jemanden mit einer geringen Frustrationstoleranz wie mich ist das Schöne an Walking Simulatoren, dass man sich nicht in ihren festfahren kann. Hat man einmal angefangen, sie zu spielen, hält einen höchstens die eigene Langeweile davon ab, das Spiel auch zu beenden. Aber ab und zu möchte ich auch ein bisschen gefordert werden, um umgekehrt auch das Gefühl zu bekommen, etwas geschafft zu haben. Puzzlespiele bieten sich da an, gerne auch kniffeliger – bloß, die meisten Puzzegames haben nur wenige hundert Megabyte, und die Festplatte ist voll, mal wieder, und da ich Spiele eigentlich nur dann deinstalliere, wenn ich sie durchgespielt habe. Also: Ich suche ein schaffbares Spiel, das meinen Kleinen Grauen Zellen schmeichelt und hinterher zehn Gigabyte Speicherplatz freischaufelt.

Im letzten Jahr bin ich auf diese Weise bei Pneuma – Breath of Life gelandet, dem philosophischen Rätselspiel mit dem geschwätzigen Gott, das ich, Schande über mich, nicht weitergespielt habe, nachdem einmal die Rezi online war.… Weiterlesen “The Turing Test”

bookmark_borderNevermind

Wenn es mir nur gruselte!

Zu den vernichtendsten Urteilen, die mein Vater über einen Künstler (insbesondere einen Autor) zu fällen pflegte, gehört ohne Zweifel der Satz »Er wollte wesentlich werden.« Vorzugsweise über jemanden aus der Unterhaltungsbranche, dem es nicht mehr ausreichte, zu unterhalten, und der daraufhin ein pseudophilosophisches Geschwurbel von sich gegeben hat. Das konnte zum Beispiel eine Folge der Krimiserie »Derrick« sein, aber auch Bücher, Comics, Musik, nichts war gefeit vor dem Todesurteil »wesentlich«. Nichts gegen Anspruch, aber auch nichts gegen einfache Unterhaltung: Das Problem ist »gewollt und nicht gekonnt«. Mein Vater, um Missverständnissen vorzubeugen, erfreut sich bester Gesundheit, wir haben nur zu lange kein Derrick mehr geschaut. Und ich stelle fest, das gilt auch für Computerspiele. So habe ich mich im vergangenen Jahr durch das völlig zerredete The Old City – Leviathan gearbeitet, das außer Küchenphilosophie und Postkartenmotiven nicht viel zu bieten hatte.

Aber The Old City – Leviathan wollte unterm Strich auch nicht mehr, als eine Geschichte erzählen. Nevermind hingegen, das ich gerade beendet habe, verspricht viel mehr. Es will nicht nur die Abgründe der menschlichen Seele erforschen, sondern dazu noch mich, den Spieler, dahingegend ausbilden, meine eignenen Ängste, Sorgen und Gefühle besser zu verstehen, auf Stressstituationen zu reagieren, und am Ende der vielleicht fünfstündigen Spielzeit wie ein neuer Mensch daraus hervorzugehen.… Weiterlesen “Nevermind”

bookmark_borderAutumn Dream

Me English nicht verstehen

Ich lerne seit einem halben Jahr Russisch. Das heißt, ich habe das erste Volkshochschulsemester hinter mir. Mit einem halben Jahr Russisch kommt man noch nicht weit, aber ich suche immer nach Möglichkeiten zum Üben, und ich hatte die großartige Idee, das mit Computerspielen zu tun. Schließlich kommen viele tolle – oder weniger tolle – Spiele aus Russland, Wimmelbildspiele zum Beispiel, und wenn ich die auf Steam dann so einstelle, dass ich sie im Original spielen kann, lerne ich meine Vokabald auf spielerische Weise. Zumindest in der Theorie. Ich habe es versucht mit dem Spiel Dance of Death, und es war ein Flop. Das Spiel ist so unglaublich schlecht, die einzige Sprachausgabe grammatikalisch falsches Englisch mit russischem Akzent, die grobkörnige Schrift nicht zu entziffern, die Graphik unattraktiv, dass ich den Versuch schnell wieder aufgegeben habe. Dafür konnte ich jetzt mit einem ganz anderen Spiel meine Fremdsprachenfähigkeit verbessern.

Autumn Dream nennt sich der Titel des Indie-Spieleentwicklers GDNomad, von dem auf eine ganze Reihe billigster Horrorspiele mit niederschmetternden Bewerungen zu finden sind. Ich habe alle, schließlich hat mich keine von ihnen mehr als 50 Cent gekostet, und für 50 Cent schreibe ich auch gern einen lustigen Verriss. Autumn Dream belegte schon seit längerem ein gutes Gigabyte auf meiner Festplatte, und weil die natürlich mal wieder viel zu klein ist und ich den Rezensionen entnommen habe, dass das Spiel in weniger als einer Stunde durch ist, klang das wie schnell verdienter Festplattenplatz.… Weiterlesen “Autumn Dream”

bookmark_borderMaize

Die Sendung mit dem Mais

Im Humblebundle vom Juni war nicht Starcrawlers, auf das ich ein bisschen gehofft hatte, aber dafür ein anderes Spiel von meinem Wunschzettel, das mir für gut zwanzig Euro immer zu teuer zum kaufen war: Maize, ein der Prämisse nach völlig durchgeknalltes Adventure über zwei Wissenschaftler, die ein Memo der Regierung falsch verstehen und intelligenten Mais erschaffen. Was ich an Screenshots gesehen hatte, sah großartig aus, und mit verrückten, durchgeknallten Ideen bekommt man mich immer, dazu gibt es noch einen übellaunigen russischen Plüschbären – was sollte da noch schiefgehen? Leider eine ganze Menge. Denn Maize begeht einen kapitalen Fehler, den ein lustiges Spiel nicht machen sollte: Es ist nicht lustig.

Ich wollte Maize toll finden, wirklich. Auch denn der Metascore nur bei mauen 65% liegt, auch wenn das, was ich an Kritiken gelesen hatte, eher durchwachsen war: Witz ist doch immer Geschmackssache, und ich war mir sehr lange sicher, dass Maize genau meine Art von Humor hatte – selbst dann noch, als ich eingestehen musste, dass ich kein mal lachen musste. Aber irgendwann kam ich um das Eingeständnis nicht drum herum: Maize hat exzellente Graphiken, und die Animationen des Maises, der auf seinen Wurzeln läuft und mit wenigen Blättern zu erstaunlicher Körpersprache in der Lage ist, ist wirklich gut gemacht.… Weiterlesen “Maize”

bookmark_borderHouse of Caravan

Da wackelt das Haus!

Manchmal hat man schon den Eindruck, dass »Walking Simulator« ein Synonym ist für »Wir sind unfähig, irgendwas Belebtes in unsere Spiele zu programmieren«. Und wo einige dieser Spiele im Gegenzug eine tolle Geschichte präsentieren, die sich nach und nach entfaltet, hat man bei anderen das Gefühl, dass die Macher ein Setting ohne Spielelemente hochgeladen haben und es unter dem Deckmäntelchen »Walking Simulator« ein Spiel nennen. House of Caravan ist irgendwo dazwischen angesiedelt, ein begehbares, leicht gruseliges Haus mit einem Hauch von Handlung, einer lachhaften Physikengine, drei Puzzeln, die den Namen nicht wirklich verdienen – aber dabei so unerträglich verbuggt, dass es wirklich keinen guten Eindruck hinterlässt. Ich habe es trotzdem bis zum Ende durchgespielt, und ich muss sagen, dass dem Spiel etwas gelungen ist, dass ich bei anderen vermeintlichen Gruselspielen der jüngeren Zeit nicht hatte: Ich habe mich gegruselt. Nicht ständig, und nur ein bisschen, aber immerihn. In dieser Hinsicht: Ziel erreicht. In aller anderer Hinsicht: Setzen, sechs.

Entgegen des holprigen Titels sitzen Rosebud Games, die Macher dieses Schmuckstücks, nicht irgendwo in Osteuropa, sondern in Barcelona. Trotzdem ist man geneigt, den Titel House of Caravan mit dickem russischen Akzent auszusprechen. Tatsächlich spielt das Spiel in der Gegend von Boston, und wir befinden uns im Jahr 1910.… Weiterlesen “House of Caravan”

bookmark_borderSimon the Sorcerer

Gut, dass ich meine Asbestunterwäsche trage!

In der guten alten Zeit der Lucasarts-Adventures gab es ein Spiel, das nicht von Lucasarts war, das sich in Sachen Graphikstil und Humor nicht hinter dem großen Bruder zu verstecken brauchte, und dieses Spiel war Simon the Sorcerer. Mit feinem englischen Humor, bildschönen pixeligen 2D-Graphiken und einem Soundtrack voller Ohrwürmer in Midi-Qualität, gehören die ersten beiden Teile immer noch zu dem Feinsten, was jemals im Point-and-Click-Adventure erschienen ist. Dann kam Teil 3, warf alle Vorzüge über Bord, weil doch kein Mensch mehr zweidimensionale Spiele spielen wollte, und wurde ein schon damals unspielbar hässliches 3D-Spiel, das heute erst recht kein Mensch mehr spielen möchte – und danach wurde es noch schlimmer: Die Rechte der Reihe wechselten nach Deutschland, gingen an RTL, und damit verschwand auch noch der englische Humor zugunsten klassischer deutscher Penälerwitze. Sic Transit Gloria Mundi. Aber immerhin gibt es für ganz, ganz kleines Geld die beiden klassischen Teile von Simon the Sorcerer bei Gog, und so konnte ich ein Stück meiner wildbewegten Jugend noch einmal erleben.

Simon erschien erstmals 1993, und ich bin dem ersten Teil 1996 oder ’97 begegnet, als ich von einer Kommilitonin die Diskettenversion kopiert bekam. Ja, das war die Zeit, das Wort »Raubkopierer« war noch nicht erfunden, dafür hatten die Spiele einen Kopierschutz wie das legendäre Dial-a-Pirate-Drehdings von Monkey Island – oder die Aufforderung, das Nte Wort von Seite X des Handbuchs einzugeben.… Weiterlesen “Simon the Sorcerer”