Ein Spiel, bei dem man durch ein altes, von seltsamen Puppenwesen bewohntes Herrenhaus läuft und Rätsel löst? Höre ich meinen Namen? Tatsächlich klingt The Automatician, als wäre es direkt für mich gemacht, und offenbar nur für mich, denn trotz der wirklich vielversprechenden Screenshots und einem Preis deutlich unter zehn Euros scheint kaum jemand auf Steam dieses Spiel zu besitzen. Es gibt nicht genug Rezensionen, um auch nur einen Durchschnittswert anzuzeigen, und das angeschlossene Diskussionsforum, wie Steam es für jedes Spiel bereitstellt, kommt über sechs Themen mit maximal zwei Beiträgen nicht hinaus. Ein Grund mehr, diesem offenbar völlig unbekannten Spiel jetzt eine Rezension zu widman – auch wenn sie am Ende nicht ganz so positiv ausfällt, wie ich mir das gewünscht hätte. Denn dieses nur-für-mich-gemachte Spiel hat leider unterm Strich mehr Mängel als Kaufargumente.
Optisch macht The Automatician erstmal alles richtig. Das Herrenhaus, in dessen Foyer man sich bei jedem Neustart wiederfindet, ist opulent, schön, prachtvoll – nicht gruselig, keinen Augenblick lang, aber das hat mir das Spiel auch nie versprochen, aber es bietet wirklich was fürs Auge. Wären nicht die Whodos, könnte man doch anfangen zu glauben, im endlosersten gruseligen Walkingsimulator gelandet zu sein, aber da stehen sie herum, an jeder Ecke, mindestens drei pro Raum: optisch eine Kreuzung zwischen Voodopuppe und Kürbislaterne, niedlich anzusehen, und wenn man sie anspricht, machen sie ein Geräusch, das wie »Gobble Gobble« klingt, während am unteren Bildrand der Dialog eingeblendet wird. Man selbst ist ein Mensch, Emma, und gekommen, um die Rätsel zu lösen, die der verstorbene Hausbesitzer hinterlassen hat, und als erster von offenbar vielen vergeblichen Kandidaten den Titel des Automatician zu erlangen.
Während ich schon buchstäblich Hunderte von Herrenhäusern auf Rätseljagd durchkämmt habe, sind die Puzzle in The Automatician von einer Sorte, wie ich sie im Computerspiel noch nie hatte und die mich am ehesten an das gute alte Achtziger-Jahre-Brettspiel Fang die Maus erinnern – ein Kettenreaktions-Parcour, bei dem man nicht selbst einen Rube-Goldberg-Apparat konstruieren muss, sondern vorfertige Elemente richtig zusammensetzen, um am Ende die Reaktion auszulösen. Dabei gilt es herauszufinden, in welcher Reihenfolge und welchem Winkel die verschienenen Elemente anzuordnen sind, damit es funktioniert – das klingt einfach, und die ersten Übungspuzzle erfordern auch nicht mehr, als ein Teil zu nehmen und wieder abzulegen. Anspruch sieht anders aus – aber man kann sich vorstellen, dass das Prinzip viel Potenzial hat, richtig kniffelig zu werden, und eine Menge Langzeitspielspaß bietet …
Bloß, dazu kommt es nie. Das Spiel bietet ein riesiges Herrenhaus, Dutzende von knuffigen Whodos – und kaum mehr als ein Dutzend allzu schnell gelöster Rätsel, davon zwei Tutorialmissionen ohne jeden Anspruch. Und auch wenn das Spiel mit seinen Preis von 7,99 Euro aussieht wie ein Schnäppchen: Mehr als anderthalb Stunden Spielspaß sind nicht zu erwarten, und ich bin nur deswegen auf drei Stunden bis zur Deinstallation gekommen, weil ich mittendrin nochmal neu angefangen habe und danach mit verschiendenen Abstürzen zu kämpfen hatte. Denn auch in dieser Hinsicht erinnert The Automatician fatal an Fang die Maus: Die Handhabung ist sperrig, man verbringt mehr Zeit damit, mit klemmenden und hakenden Teilen zu hantieren, die nicht tun, was man will, nur um am Ende einen Effekt zu bekommen, der die Mühe nicht wert war.
Ich hatte erwartet, dass ein Puzzlespiel von nur knapp drei Gigabyte Größe problemlos auf meinem Laptop laufen sollte, aber auch wenn das Herumlaufen in der 3D-Umgebung ohne Ruckeln klappte, war alles, was eine Maus erfordert, derart unpräzise und schammig, dass ich größte Probleme hatte, die Puzzleteile zu platzieren. An meinem Desktoprechner, auf den ich dann umgezogen bin, klappte das ohne Probleme – dafür musste ich damit rechnen, dass das Spiel plötzlich vor meinen Augen verschwand und neu gestartet werden musste. Bei kleinen Indiespielen rechne ich mit solchen Bugs, wenn auch nicht unbedingt mit einem doch so hohen Preis – die meisten Vergleichstitel liegen doch deutlich unter fünf Euro. Die Developer, Dream Punks, hängen mit der Fachhochschule Breda in den Niederlanden zusammen – sie haben noch ein anderes Spiel gemacht, Hack’n’Slash, nix Rätsel, aber mehr über sie habe ich leider nicht herausfinden können: Ihre offenbar entgegen aller Webstandard immer noch flashbasierte Webseite bot mir nichts als einen Ladebildschirm, der bei 92% aufhörte, sich zu bewegen, und ich wollte nicht länger auf eine Webseite warten, als es gedauert hat, ein Spiel zu spielen.
Das Team hinter The Automatician war jedenfalls, wie ich dem Abspann entnehmen konnte, erstaunlich groß – um so schader ist es dann, dass so viel Energie in die Herrenhausumgebung investiert wurde und so wenig in die eigentlichen Rätsel. Nicht nur sind es, wie erwähnt, viel zu wenige – wenn man mit Rube-Goldberg-Versatzstücken arbeitet, statt die Spieler ihre eigenen Kettenreaktionen entwickeln zu lassen, dann sollte es zumindest dort Vielfalt und Variationen geben. Tatsächlich sind es nur zehn verschiedene Elemente, denen man wieder und wieder begegnet, und wenn es beim ersten Mal noch Spaß macht, einer Animation zuzusehen, wie die kleine Eisennahn losrollt, den Zuckerstreuer umwirft, um am Ende das Riesenrad Auslösen, kann man spätestens bei der dritten Begegnung weder Eisenbahn noch Zuckerstreuer mehr sehen.
Das einzig Gute ist, dass man bei den vertrauten Elementen nicht mehr mühsam und sperrig reinscrollen muss, um zu sehen, auf welcher Seite der Anfang und auf welcher das Ende ist – ansonsten hat man als Anhaltspunkt zwar die typischen Nupsis und Aussparungen, wo die Puzzleteile ineinandergreifen, doch wirklich gut zu erkennen sind die nicht, und zu oft dachte ich, ich hätte die Teile richtig aneinandergereiht, nur um dann zu erkennen, dass ich an einer Seite angebaut hatte, die dafür nicht gedacht ist. Ja, die sind eigentlich in deutlich grüner Farbe gekennzeichnet – doch in der 3D-Ansicht, mit der The Automatician arbeit, ist diese Stelle zu oft hinter den Aufbauten verdeckt, und man muss entweder das Spielbrett oder die Steine hin- und herdrehen, um zu erkennen, wo die Anschlüsse sind.
Auch mit Versatzstücken wären so viele vielversprechenden Variationen möglich gewesen – erst werden Höhenunterschiede eingebaut, die mit Treppenelementen überwunden werden müssen, dann Lücken auf dem Spielfeld, für die man ein Katapult braucht, aber das war es dann schon. Es gibt genau ein Treppenelement, genau ein Katapult, und letzteres dann in einem Puzzle zweimal verbauen zu müssen, macht die anschließende Animation noch öder und lustloser. Zu selten wird mit unglücklich gekrümmten Teilen gearbeitet, die auf den ersten Blick nirgendwo hinpassen wollen oder die zu überwindende Strecke von A nach B in eine völlig falsche Richtung drehen, die meisten Teile sind gerade, und mit wenig nachdenken lässt sich jedes Rätsel auch per Brute Force lösen. Kniffelig ist das Spiel nur in der Bedienung, nicht für den Kopf.
Bekomme ich dann wenigstens schön viel Herrenhaus für mein Geld? Nein. Die Räume, die man betreten kann, sind wirklich hübsch – bloß, wie bei den Puzzlen sind es viel zu wenige. Neben Lobby und Flur gibt es Wohnzimmer, Küche, Musikzimmer und Esszimmer – und das war es dann auch schon. Eine große Freitreppe führt in den ersten Stock, aber schon auf dem Treppenabsatz fängt mich ein Whodo ab: Dort oben lagen die privaten Räume des verstorbenen Mr. Absolom, nach seinem Tod werden sie nicht mehr betreten. Selbst nachdem ich das Spiel gewonnen habe und mich hochoffiziell Automatician nennen darf, wird mir der Zutritt verwehrt mit der Erklärung, Kandidaten hätten dort nichts verloren. Und auch wenn man sich mit allen Whodos im Haus unterhalten kann: So niedlich sie auch sind, haben sie wenig zu sagen, und die meisten stehen mir, dem Mensch, dem Eindringling, eher feindselig gegenüber.
Das hält sie natürlich nicht davon ab, mich auf Botengänge zu schicken. Es ist zwar irritierend, wenn alle Gegenstände, die man unterwegs gefunden hat, immer noch im Inventar finden, nachdem man sie eingebaut oder abgegeben hat, aber vielleicht wäre das zu schwer zu implementieren gewesen (unabhängig davon, dass alle anderen Spiele das hinbekommen), aber wenigstens wird die Quest als erledigt angezeigt. Das Tutorial, das mir von einem freundlicheren Whodo am Eingang bei Interesse vorgelesen wird, informiert mich darüber, dass ich ein extra Achievement bekomme, wenn ich alle Bonusquesten löse. Der Whodo lügt. Das Achievement existiert zwar in der Liste der verfügbaren Steam-Errungenschaften, mit vier an der Zahl ähnlich zurückhaltend ausstaffiert wie der Rest des Spiels, aber es ist nicht erringbar. Klassischer Fall von kaputt. Null Prozent der Spieler haben es, und auch ich habe es dementsprechend nicht erhalten und hänge jetzt bei hässlichen 75%, dafür, dass ich gerne meine Achievements komplettiere.
Dafür erfährt man auch nur aus der Achievementliste, dass es noch ein letztes Puzzle gibt. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon meine zwölf Rätsel gelöst, die Glückwünsche der Whodos in Empfang genommen und mir den Abspann abspielen lassen – oder besser, den Anspann starten und wieder anhalten lassen, so dass ich das Spiel abschießen musste – aber da nicht nur das Quest-Achievement noch offen war, sondern auch »Passed Mr. Absolon’s Final Test«, habe ich dann das Spiel nochmal neu gestartet und festgestellt, dass ich endlich mit einem Schlüssel, den ich schon ganz am Anfang gefunden hatte, die Tür direkt neben dem Eingang aufsperren konnte und dort den Hinweis auf das große letzte Puzzle bekommen, das mir dann endlich den gewünschten Titel verleiht. Moment mal – ich dachte, den hätte ich schon längst? Wofür waren dann all die Glückwünsche vorhin?
Aber gut. Ich löse noch das aller-allereinfachste Zahnradrätsel der Geschichte, für das man aus einem unendlichen Vorrat Zahnräder identischer Größe so lange aneinanderreiht, bis man am anderen Ende angekommen ist, und öffne damit den Zugang zum Geheimraum, nach dem ich länger suchen muss, als mir lieb ist. Ich rechne mit dem Puzzle aller Puzzle, einem, das so richtig einen draufsetzt in Sachen Kniffel, doch ich werde enttäuscht. Ja, man muss diesmal ganze fünf Elemente miteinander verbinden. Schwer ist es trotzdem nicht, und wenn man eines der Teile nicht verwendet, weil es auch so geht, ist das auch egal. Drei Abstürze (jeweils mit erneutem Lösen des Zahnradsrätsels) und fünf Minuten Knobelzeit später ist also auch dieses ominöse allerletzte Puzzle gelöst, wieder kommt alles, um mir zu gratulieren, und auch wenn ich immer noch nicht in den ersten Stock darf (trotz der Einladung der Whodos, jetzt mit ihnen im Herrenhaus zu wohnen), bekomme ich diesmal zumindest einen sauberen Abspann zu sehen.
Und das war’s dann auch schon. Exit The Automatician. Was bleibt, ist der Eindruck eines Spiels, bei dem nichts zusammenpasst. The Automatician fühlt sich an wie eine Gruppenarbeit, bei der sich die Teammitglieder nicht einigen konnten, was sie machen wollten. Da ist das realistisch gestaltete Herrenhaus, da sind die obskuren Whodos, da sind die Rube-Goldberg-Puzzles – aber es gibt nichts, das diese Elemente miteinander verbinden würde, keine grün hervorgehobenen Anschlussstellen, als hätte sich das Produktionsteam in drei Gruppen aufgeteilt, die untereinander kein Wort gesprochen hätten, um die Ergebnisse irgendwie zusammenzuklatschen. Herausgekommen ist etwas, das viel verspricht und nichts hält. Statt ein sauberes Puzzlespiel mit einen paar Dutzend Aufgaben steigender Schwierigkeit abzuliefern, oder einen gruseligen Herrenhaus-Walkingsimulator, oder ein absurdes kleines Adventure über die Whodos abzuliefern, bekommt man von allem jeweils nur einen Teaser.
Verwirrend ist es noch dazu. Über Whodos und Dingen, die man benutzen kann, schwebt ein Symbol – was es darstellen soll, weiß ich nicht, es sieht aus wie eine dreckige Notizbuchseite, begleitet von einer Sprechblase, einem Fragezeichen oder einem Ausrufezeichen. Nur sind diese Symbole durch die Wand durch sichtbar beziehungsweise scheinen direkt an der Wand zu kleben, reagieren dann aber auf keinerlei Interaktion, und ich habe viel Zeit damit verbracht, zu versuchen, mit Leuten im anderen Raum zu interagieren, weil ich nicht wusste, warum ausgerechnet hier ein Zettel mit Ausrufezeichen auf der Tapete sitzen sollte. Dazu kommt, dass Emma verschiedene Sachen, hervorgehoben durch einen roten Umriss beim Mausover, kommentiert – ein großes Sofa, die Standuhr, Bilder an der Wand – andere, genauso hervorgehoben, jedoch nicht. Warum steht in der Speisekammer ein Weinfass, das aus tausend Löchern sprudelt? Was soll ich mit dem Hammer, den ich unterwegs mitnehme, aber nirgendwo jemals benutze? Fragen über Fragen …
Unterm Strich spielt sich The Automatician wie eine Demo, nicht wie ein fertiges Spiel. Und Demos sind üblicherweise kostenlos. Sie kosten nicht knapp acht Euro. Und so sehr ich das Spiel auch lieben wollte, weil die Beschreibung und Screenshots und die durchaus positiven Rezensionen mir genau das versprachen, was ich haben wollte, muss ich bei einem negativen Fazit bleiben. Zu viele verschiedene Ideen, die nicht zusammenkommen wollen, ein Anfang, zwei Enden, aber kein Mittelteil, ein Lehrstück darüber, wie ein Spiel schon in der Konzeptionsphase zum Scheitern verdammt ist, wenn sich die Macher nicht auf eine gemeinsame Linie einigen können – vor allem aber, aus Spielerperspektive, zu wenig Spiel fürs Geld.