1987 war ich zwölf Jahre alt, engagierte mich für den Umweltschutz mit den Mitteln einer Zwölfjährigen, und war, was die Zukunft unseres Planeten anging, so völlig pessimistisch, dass ich schon fürs Jahr 2000 eine von Kriegen und Umweltzerstörung verwüstete, unbewohnbare Erde erwartete. Ich las betroffen machende Jugendbücher, freiwillig, und reichte bei einem Jugend-Gedichtewettbewerb zum Thema »Robbi die Robbe« eine düstere Parabel ein, bei der am Ende alle tot sind – »Nur die Mörder, die Menschen, die leben noch«. 1987 waren PC-Adventures noch nicht soweit, ich erinnere mich an eine Begegnung mit King’s Quest bei meinem Cousin, aber hätte es damals schon A New Beginning – Final Cut gegeben, es hätte genau meinen Nerv getroffen.
Aber es ist nicht mehr 1987, und auch wenn ich im Moment wieder extrem pessimistisch bin, was die Zukunft unseres Planeten angeht: Ich brauche kein Computerspiel, um mich vor den Folgen des Klimawandels zu warnen. Ich trenne da gerne: Ich spiele Egoshooter und Fantasy-RPGs, ohne dass ich zum Amokläufer werde oder den Kontakt zur Wirklichkeit verliere – aber genausowenig macht mich ein Öko-Adventure zum Umweltschützer. Um die Welt zu retten, und ich denke, das ist nötig, sollte ich lieber aus dem Haus gehen und mich richtig engagieren, Möglichkeiten gibt es genug, und die Mittel einer Vierzigjährigen sind vielseitig und mächtig. Am Computer hingegen bevorzuge ich meine Adventures witzig oder mit einem Mystery-Plot – kein mahnendes Klimawandel-Geschwurbel.
Weil ich aber vor meinem neuen Rechner sitze wie Buridans Esel und nicht weiß, mit welchem Spiel ich anfangen soll, habe ich das Los sprechen lassen – und der Zufallsgenerator spuckte die Nummer 6 aus, A New Beginning – Final Cut, das ich einmal als Teil eines Bundles erworben habe. Der deutschen Spieleschmiede Daedalic Entertainment verdanken wir sozusagen die Wieberbelebung des 2D-Point and Click-Adventures, und Werke wie Edna bricht aus haben dem Genre sehr gut getan. Aber Daedalic kann nicht nur witzig, und so haben sie unter anderem 2010 A New Beginning, 2012 re-released mit dem Zusatz Final Cut, herausgegeben.
Die Graphiken sind realistisch mit leichtem Comic-Touch (französischer Stil, nicht cartoon), und die Zwischensequenzen ebenfalls als Comic-Panels gestaltet – erst etwas gewöhnungbedürftig, funktioniert aber ganz gut und hilft, längere Dialoge ohne unnötig animiertes Herumstehen zu präsentieren. Und geredet wird, wie in Point and Click-Adventures üblich, viel. Hauptpersonen sind die junge Zeitreisende Fay, die aus der fernen Zukunft stammt und noch nie einen Baum gesehen hat, und der ausgebrannte Meeresbiologe Bent, ein erfreulich untypischer Protagonist: Zyniker haben wir in Adventures häufig, aber Bent ist jenseits des üblichen Alters, ein stämmiger Pensionär mit Schnäuzer und Vokuhila, in den Vorruhestand getreten, weil er über seinem Anspruch, die Welt zu retten und das Energieproblem mithilfe von Blaualgen zu lösen, Gesundheit und Familie aufs Spiel gesetzt hat.
Bent hat mit den Algen abgeschlossen und spricht seiner Nervenärztin brav nach »Ich bin nicht für die ganze Welt verantwortlich«, als die Frau aus der Zukunft per Helikopter an seiner norwegischen Fjordhütte landet und ihm mitteilt, dass er genau das ist: allein Verantwortlich für das Schicksal der Welt. Da geht sie hin, die Therapie! Auf mehreren Zeitebeneben, wobei der Spieler à la Baphomets Fluch mal Bent und mal Fay spielt, muss man jetzt also wohl die Welt retten – ob in ferner Zukunft, im Jahr 2050 oder in Bents Gegenwart, muss sich noch zeigen; ich habe erstmal anderthalb Stunden gespielt und muss mal sehen, ob ich das Adventure bis zum Ende durchziehe – bei aller Sympathie für Bent, kommt das Spiel doch allzu oft mit okölogisch-moralisch erhobenem Zeigefinger daher, und die oftmals etwas flapsigen Kommentare der Figuren zu ihrer Umgebung passen vor allem bei Fay wenig zu Figur und Setting.
Dazu kommt mein Problem mit deutschsprachigen Computerspielen: Die Synchronsprecher sind oft nicht die allertalentiertesten. Ich habe schon schlechtere gehört, und die englische Sprachausgabe ist hier auch nicht viel besser. Für ein Spiel, das eindeutig das Ziel hat, den Spieler zum Umdenken und Umweltschützen zu bekehren, ist es dann eher kontraproduktiv, wenn jeder Kommentar wie ein gesprochenes Schulterzucken klingt und von »Oh nein, alles liegt in Trümmern!« nahtlos übergeht zu »Na, so verzweifelt bin ich nicht, wahllos alle möglichen Gegenstände miteinander benutzen zu wollen«. Und das ist überhaupt der Grund, warum ich kein Freund bin von Adventures, die versuchen, ernst zu sein: Sie versuchen es nicht gründlich genug, laufen bestenfalls auf Lakonie hinaus, und scheitern beim Versuch, Emotionen im Spieler zu wecken, weil sie im entscheidenden Moment doch wieder einen blöden Witz machen müssen.
Deswegen hat mich auch A New Beginning – Final Cut, auch wenn die Graphiken nett anzusehen sind und man schnell mit der Handlung vorankommt, ohne lange verzweifelt herumprobieren zu müssen, nicht wirklich in seinen Bann schlagen können. Das Spiel ist professionell und gut gemacht, aber der entscheidende Funke will nicht überspringen. Zu vieles wirkt auch schlecht durchdacht: Wenn Bent, der Fay hartnäckig siezt, befremdet regiert, dass sie ihn, wie offenbar in der Zukunft üblich, konsequent duzt, sollte man doch daran denken, dass er Norweger ist und auch in Norwegen das Sie völlig unüblich ist, wenn man es nicht gerade mit dem König zu tun hat. Oder warum in einem Spiel von 2010 immer noch die Vorstellung propagiert wird, dass man in der Zukunft Daten in Kristallen speichert – ein klassisches Science-Fiction-Motiv aus Zeiten, als man noch Disketten verwendete und mit dem die aktuelle Forschung wenig zu tun hat: Da arbeitet man eher mit Bakterien, was wunderbar zum Thema des Spiels gepasst hätte – Chance vertan.
So bleibt ein eher mauer Öko-Thriller, der vielleicht noch irgendwann an Fahrt aufnimmt. Die ersten anderthalb Stunden haben mir aber erstmal gereicht. Nix gegen die Welt retten. Aber ich spare mir lieber die restliche Spielzeit und nehme derweil Kontakt zur Greenpeace-Ortsgruppe auf. Die Welt hat davon mehr, und ich vermutlich auch.