Ich wollte Myst immer toll finden: Rätsel lösen in einer interessanten, hochdetailierten Umgebung (man bedenke: Das Spiel war für Windows 3.1 optimiert und lief erstmal nicht unter Windows 95, geschweige denn den Nachfolgern!) klang doch genau wie mein Ding. Um so übler habe ich dem Spiel genommen, dass es mich buchstäblich im Regen hat stehen lassen. Da lief ich durch beeindruckende, hochauflösende Graphiken – und hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Ich fühlte mich alleingelassen, und bis heute habe ich noch nicht ergründen können, was Myst von mir will, auch wenn ich inzwischen eine unter modernen Windows-Systemen laufende Version auf Steam habe. Irgendwann versuche ich mich nochmal an Myst, und wenn es für ein »Let’s Fail« ist. Aber bis dahin bin ich gut bedient und glücklich mit Pneuma: Breath of Life. Das ist auch ein Spiel, bei dem man durch Gegenden läuft, deren Graphiken vor zwanzig Jahren bahnbrechend gewesen wären, und Rätsel löst. Aber anders als bei Myst ist man dabei nicht allein.
In Pneuma begleitet man einen frischerwachten Gott bei der Erkundung einer Welt, die er offenbar selbst erschaffen hat, oder sie ihn, so klar ist das nicht. Sie gehorcht ihm, aber zugleich muss man der Welt gehorchen, und mit der Kraft des Willens und seinem Blick die Umgebung manipulieren, damit man weiterkommt – Türen öffnen, Brücken schließen, Treppen bauen, das übliche halt. Dabei bedient sich Pneuma Mechanismen, denen ich noch nie begegnet bin – vor allem aber ist es der Gott, der aus dem Off kommentiert und vor sich hin philosophiert, der dieses Spiel von anderen seiner Art unterscheidet. Er spaltet die Geister: Die einen lieben ihn und fühlen mit ihm mit in Enthusiasmus und Verlorenheit, die anderen sind von seiner aufgekratzten Art und Küchenphilosophie zutiefst genervt. Und dann gibt es noch mich. Ich erkenne einen Timelord, wenn ich ihn vor mir habe.
Tatsächlich erinnert der Gott total an den frischerwachten zehnten Doctor, aufgekratzt, selbstverliebt, orientierungslos. Er ist es nicht, natürlich, und behauptet das auch gar nicht – der Sprecher ist der britische Voice-Artist Jay Britton, und das Spiel versucht gar nicht erst, Parallelen zu Doctor Who zu ziehen – sie drängen sich einfach nur so auf. Türen, die sich öffnen und schließen, abhängig davon, ob man hinschaut oder nicht – das könnte ebensogut aus einem Moffat’schen Drehbuch stammen, und wenn man einen Eiertanz veranstaltet, um auch ja nicht das falsche Auge in sein Sichtfeld zu bekommen, kann man das ganze Kapitel auch mit »Don’t Blink!« überschreiben. Manche Dinge existieren bzw. funktionieren nur, solange man sie anschaut. Andere umgekehrt. Es macht Spaß, herumzuprobieren und das eigene Sichtfeld als Werkzeug einzusetzen; manche Stellen sind sehr, sehr einfach, andere deutlich kniffliger, aber niemals unfair.
In den knapp anderthalb Stunden, die ich gespielt habe, hat es Pneuma immer geschafft, den Rätseln ein neues Element abzutrotzen, bevor sie anfingen, sich zu wiederholen, und der Gott redet auch nicht ununterbrochen, sondern spult mit jeder neuen Aufgabe seinen Spruch ab und gibt dann Ruhe, während man heumrätselt. Nicht, dass man die Kommentare bräuchte, um voranzukommen, und wer den Gott nicht mag, kann getrost den Ton ausstellen – für mich gehört er zum Spiel einfach dazu, und die wirklich sehr hohe sprachliche Qualität entschädigt für die ziemlich altbackenen Graphiken. Normalerweise nehme ich Spielen nicht übel, wenn sie Graphisch hinter dem State of the Art zurückbleiben – vor allem, wenn es sich um Rätsel handelt, bei denen es auf perfekte Schattierung, Fotorealismus und Detailreichtum nicht ankommt. Bei Pneuma hätte ich aus einem anderen Grund ein graphisches Bonbon erwartet: Das Spiel ist riesengroß.
Für eine durchschnittliche Spielzeit von irgendwas zwischen vier und fünf Stunden kommt Pneuma auf nicht weniger als elfeinhalb Gigabyte an Daten, ohne zu verraten, was es damit macht. Die Audiodateien werden es wohl nicht sein, und die Graphiken sehen auch eher sparsam aus – das Spiel ist eine umgekehrte Tardis und von außen viel größer als von innen. Und auch wenn die Zeiten vorbei sind, als ich irgendwie nochmal sechzehn Megabyte freischaufeln musste, um auf meinem 486er noch ein Spiel mehr ans Laufen zu bringen, habe ich auch auf meine Zwei-Terrabyte-Platte nicht unendlich viel Platz. Im Gegenteil, das Ding ist so gut wie voll, und dabei habe ich noch nicht mal alle Spiele, die ich gern zur Verfügung hätte, installieren können. In der Theorie installiere ich alles, was ich habe, und schmeiße es runter, wenn es durchgespielt ist. In der Praxis habe ich zig Spiele, die nicht mehr auf die (Steam-exklusive) Platte passen.
Und so bin ich überhaupt erst darauf gekommen, Pneuma zu spielen: Ich habe mit windirstat geschaut, welche Steam-Spiele den meisten Platz wegnehmen, und das dann in Relation zur Spielzeit gebracht. Die Aussicht, mit nur fünf Stunden Zeitaufwand über elf Gigabyte freischaufeln zu können, ist ein ungeheures Zeit-Schnäppchen – auch wenn es schon irgendwie tragisch ist, Spiele wie Arbeit, die es zu erledigen gibt, zu betrachten, und sich mit einer Deinstallation für einen abgehakten Listenpunkt zu bedanken, nur um den freigewordenen Platz gleich mit neue Spielen zu füllen. Da wird Gaming zur Sisyphos-Arbeit. Aber ich muss sagen, meine anderthalb Stunden mit Pneuma – in denen ich die ersten zweinhalb von sechs Kapiteln durchgespielt habe – waren ausgsprochen kurzweilig, amüsant, und es hat Spaß gemacht, die Umgebung mal sprichtwörtlich mit anderen Augen zu betrachten. Now you see me, now you don’t … Gerne mehr davon!