Ziggurat

Stirb, Mohrrübe, stirb!

Der Name des Spiels, das mir der Zufallsgenerator heute ausgespuckt hat, sagte mir nichts: Ziggurat. Aber als ich las, dass es ein Egoperspektiven-Dungeoncrawler ist, habe ich mich erstmal gefreut. Mit Betonung auf erstmal. Ich habe wenig Erfahrung mit Roguelikes, weil ich weiß, dass man da komplett von vorne anfangen muss, wenn man stirbt, und ich sterbe doch so ungern … Aber weil das Spiel gut aussah, mich nach den Screenshots ein wenig an meinen alten Favoriten Ultima Underworld erinnerte und ich gleichzeitig Lust auf einen neuen Shooter hatte, habe ich es mal versucht. Was soll in einer Stunde schon schiefgehen?

Die Antwort: Alles. Leute, die behaupten, dass männliche Jugendliche von Egoshootern zu Amokläufern werden, könnten falscher nicht liegen – zu Amokläufern werden Schriftstellerinnen mittleren Alters, wenn sie zum fünfzehnten Mal gestorben sind, bevor sie auch nur aus dem ersten Raum voller Gegner raus waren. Das Spiel ist teuflich schwer – zumindest glaube ich das lieber als die Vorstellung, so dermaßen untalentiert zu sein. Das Layout des Spiels wird mit jeder Runde neu generiert und sieht immer so aus: Im ersten Raum findet man einen Gegenstand, den man als Waffe verwenden kann. Im zweiten Raum sind Gegner, und man stirbt. Gut, manchmal findet man im zweiten Raum auch nur den Schlüssel, um den Level-Endboss zu beschwören, dann stirbt man erst im dritten. Aber eine Partie, bei der ich mehr als anderthalb Minuten durchgehalten habe, verbuche ich unter Sieg.

Es sind nur Minions. Und sie machen mich alle.

Üblicherweise ist der Raum, in den man kommt, voller Minions – üblicherweise acht Stück, und sie haben eine gemeinsame Healthbar, was insofern blöd ist, als dass man nicht weiß, wie lang man auf einen einzelnen Gegner noch eindreschen muss, und einige von ihnen sind wirklich extrem stabil. Und alle sind extrem tödlich, zumindest für mich. Ich bin ja ohnehin kein Naturtalent in Shootern, und wenn man hier getroffen wird, verschwimmt das Bild, was das Zielen noch schwerer macht. Die meisten Gegner sind Fernkämpfer und töten mich von der anderen Seite des Raums, und wenn sie Nahkämpfer sind, kommen sie mit einem Tempo angeschossen, dass man ihnen nicht mal ausweichen kann. Pilze vergiften großflächig die Luft, und Möhren sind so ziemlich die miestesten Gegner, die man im Spiel finden kann. Möhren. Ich bin echt ein Versager.

Irgendwas mache ich falsch. Ich sehe ja die Erfolge der anderen Spieler daran, welche Steam-Achievements sie errungen haben: Da sind deutlich mehr, welche die »Steig auf bis Level 5«-Auszeichnung erreicht haben, als »Stirb zehnmal« – das hatte ich schon fast beisammen, ehe ich es auch nur bis Level 2 geschafft habe, und von Level 5, oder dem Verlassen der ersten Ebene, kann ich nur träumen. Ich versuche, einen neuen Spielercharakter mit hoffentlich besseren Werten freizuspielen – dafür muss ich 200 Gegner mit dem Zauberstab töten, der Basis-Waffe, die man von Anfang an dabei hat und die keine Munition verbraucht. Nach einer guten Stunde habe ich hundert Gegner geschafft – bin aber zugleich tausend Tode gestorben. Selbst nachdem ich die Schwierigkeit von »normal« (so starte ich jedes Spiel, ich habe schließlich meinen Stolz) auf »easy« runtergesetzt habe, höre ich nicht auf, am laufenden Band zu sterben.

Ja! Sie ist tot, die Möhre! Ich aber gleich auch …

Nicht viel besser stelle ich mich in Räumen mit Jumpingpuzzles an. Was eigentlich meine Stärke ist, will mir hier gar nicht gelingen. Und da, wo Feuerbälle aus der Wand geschossen kommen und man auf die andere Seite muss, ist das Dauerfeuer zu schnell, als dass man das Muster abzählen und die Bewegung entsprechend timen kann. Ein bisschen fühle ich mich erinnert an meinen zweiten PC, den 486er, auf dem ich plötzlich die Spiele von meinem 286er nicht mehr gewinnen konnte, weil die in Turbopascal geschriebenen Games die Prozessortaktung zur Geschwindigkeitsberechnung verwendeten und die Timer dreimal zu schnell abliefen: Alles an Ziggurat ist mir zu schnell. Die Gegner, aber auch das Tempo, mit dem ich mich selbst bewege. Ich päse durch die Räume, als wäre der Leibhaftige hinter mir her, links, rechts, schlage Haken, komme aber vor allem selbst nicht mit. Spiele, bei denen man sich im Schneckentempo bewegt, nerven mich – aber zu schnell ist auch nicht das Wahre.

Und auch wenn die Steuerung mit WASD und Space klassisch ist, die Räume nett aussehen und die Egoperspektive besonders spielerfreundlich ist: Es ist extrem irritierend, dass man sich dabei unmittelbar über dem Boden befindet und das ganze Spiel aus der Froschperspektive spielt. Ich dachte, ich bin ein menschlicher Magier? Ich muss wohl von einem der Pilze, die es zu bekämpfen gibt, genascht habebn, von der Seite, die einen schrumpfen lässt, jedenfalls reiche ich bei Bücherregalen noch nicht mal bis ans zweite Brett, und meine Augen sind auf einer Höhe, wo ein normaler Mensch bestenfalls die Knie hat. Mit jedem Sprung fürchte ich, mir beim Landen das Kinn aufzuschlagen. Frage mich, warum die Entwickler das getan haben – jedenfalls finde ich keine Möglichkeit, den Blickpunkt hochzusetzen.

Bin ich Zwerg, oder was? Meine Augen können nicht höher sein als ein Paar Knie!

Nach einer guten Stunde bin ich völlig fertig. Die Augen brennen, der Nacken krampft, der Rücken ist ein Brett, und ich bin abgehetzt, als wäre ich selbst im Dauerlauf durch die Räume gehetzt und nicht mein Avatar. Statt mit einem entspannenden Shooter ein bisschen Dampf abgelassen zu habebn, fühle ich mich wie ein ausgeleiherter Punchingbag. Aber auch wenn Ziggurat sicher nicht das richtige Spiel für mich ist – oder ich der richtige Spieler für Ziggurat ist ein seltsamer Ehrgeiz in mir geweckt, der nichts mit Masochismus zu tun hat, sondern nur mit Siegeswillen. Ich will dieses Spiel schaffen: die restlichen Charaktere freischalten, die Errungenschaften erringen, irgendwann mal Ebene 1 verlassen … Aber nicht heute. Länger als eine Stunde am Stück halte ich dieses Spiel nicht durch. Bis zum nächsten Mal!

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