Im Moment warte ich auf zwei Dinge: Auf meinen neuen Rechner, der innerhalb der nächsten Tage fertig werden müsste, und auf die remasterte Version von Day of the Tentacle, meinem allerliebsten Lieblings-Adventure aus DOS-Zeiten. Um so mehr hat mich die Entdeckung gefreut, dass es an anderes klassisches Lucasarts-Adventure, für das bislang keine Neuauflage angekündigt wurde, bei GOG.com gibt: Sam & Max hit the Road. Es ist zirka zwanzig Jahre her, dass ich es zuletzt gespielt habe, auf meinem treuen 486er, und ich war ein bisschen in Sorge, dass es sich, verglichen mit heutigen Qualitätsansprüchen, als Enttäuschung herausstellen sollte. Aber das Gegenteil ist der Fall: Sam und Max sind in Würde gealtert, und ihr klassisches Abenteuer macht heute noch so viel Spaß wie damals. Vor allem aber macht es viel, viel mehr Spaß als die Neuaufgüsse/Fortsetzungen von Telltale Games.
Wo beim Klassiker die Graphik zwar grobpixelig, aber detailreich daherkommt, bringt der Nachfolger allzu aufgeräumte Szenen und Langeweile in 3D. Und auch wenn beim Spiel von 1993 die Sprecher nicht immer Profiniveau haben, sind die Dialoge immer noch die knackigeren. Auch wenn ich das Spiel diesmal auf Englisch spiele – und mich an den verschiedenen regionalen US-Akzenten ebenbso freue wie an der Überaschung, den schurkischen Country- und Westernstar Conroy Bumpus und seinen Goon ausgerechnet mit englischem Cockney-Einschlag sprechen zu hören, kann ich viele Texte immer noch auf deutsch auswendig mitsprechen: »Jesse James‘ abgetrennte Hand. Und sie zuckt noch.«
Wie bei den guten alten Lucasarts-Adventures üblich, ist auch hier Aufmerksamkeit, Um-die-Ecke-Denken und schwarzer Humor gefragt, und der Schwierigkeitsgrad ist anständig. Mir hilft mein gutes Gedächtnis, mit dem ich mich an ziemlich viele, aber nicht alle, Details und Kniffe erinnern kann – trotzdem muss auch ich den »Tunnel der Liebe« nicht weniger als fünfmal durchfahren, bis es mir endlich gelingt, innerhalb der Zeitbeschränkung die Weiterfahrt zu sabotieren. Das ist eine von zwei frustreichen Stellen, mit denen ich es heute zu tun hatte: Die andere beinhaltet einen Eimer Golfbälle und sehr viele Alligatoren und lässt sich nur dann lösen, wenn es gelingt, die betreffende Szene doch zu verlassen, was allerdings sehr präzises Klicken erfordert.
Aber auch an frustrierte Spieler – Leute wie mich, bei denen es oft schlichtweg an der Geduld hapert, wenn es nicht vorangehen will – haben die Programmierer gedacht. Statt blind eine Szene zum xten Mal mit der Maus abwedeln zu müssen oder nach dem Bruteforce-Prinzip alle Gegenstände im Inventar miteinander kombinieren zu müssen, kann man einfach einen Gang runterschalten und eine Runde Carbomb spielen – eines von mehreren Minispielen im Spiel, die man jederzeit aus dem Inventar aufrufen kann. Für Carbomb hatte ich seinerzeit ein solches Faible, dass ich manchmal nur dafür den Rechner hochgefahren habe, ohne mich überhaupt um den Fortgang der Handlung um die verschwundenen Bigfoots zu kümmern.
Und auch sonst ist das Spiel von der fairen Sorte. Auf alles kann man auch ohne Komplettlösung kommen, und während man bei Zeitgenossen wie Simon the Sorcerer an verschiedenen Stellen nicht weiterkam, wenn man nicht mikroskopisch kleine Details wie eine verlorene Eulenfeder oder einen unauffällig am Boden liegenden Stein zufällig bemerkte, gibt es solche Gemeinheiten bei Sam & Max nicht. Man kann auch nicht versehentlich sein Schiff versenken und das Spiel ungewinnbar machen. Im Zweifelsfall fährt man unendlich oft zwischen den verschiedenen Sehenswürdigkeiten, welche die Schauplätze des Spieles darstellen, hin und her irren, bis man bemerkt, dass man vergessen hat, einen nicht gerade kleinen Eimer voll Fische einzustecken.
Auch wer nicht mit sentimentalen Neunzigerjahre-Erinnerungen an das Spiel herangeht, kann heute noch mit Spaß Sam & Max hit the Road spielen. Während die ersten Gehversuche in Richtung 3D-Graphik – aus der Zeit, als man dachte, nur weil 3D möglich ist, ist 2D tot – heute optisch unerträglich sind, man denke nur an das unsägliche Simon 3D – ist man für humoristische Point-und-Click-Abenteuer längst wieder beim 2D-Comicstil angekommen, und die Unmenge indieproduzierter Pseudo-Achtbit-Spiele hat auch für kantige VGA-Graphik aus dem alten Jahrhundert den Markt wieder geöffnet. Vom Spielprinzip ist es kein großer Rückschritt von modernen Abenteuern zu Sam & Max: Muss man bei früheren Lucasarts-Adventuren noch über die SCUMM-Engine Befehlswörter anklicken, die einen nicht zu verachtenden Teil des Bildschirms einnahmen, war dies das erste Lucasarts-Spiel mit bildfüllender Graphik, bei dem der Mauszeiger durch die verschiedenen Befehle geschaltet werden kann.
Damals habe ich an die dreißig Mark für Sam & Max ausgegeben, für mich eine wahre Unsumme in einer Zeit, in der ich Spiele üblicherweise in Form von Magazinbeilagen oder jährlichen Kollektionsboxen gekauft oder mir von Freunden kopiert habe – und selbst das war es mir wert. Heute kostet die windows-kompatible Version – kein Frickeln mit der DOS-Box oder SCUMM-VM nötig – bei GOG schlappe 5,49 EUR – ein Schnäppchen, dass sich allemal lohnt. Das Spiel wirkt so wenig verstaubt, dass hier eine modernisierte Fassung letztlich nicht nötig ist und man darum ruhig nochmal beim Original zuschlagen kann, statt darauf zu warten, ob Doublefine sich doch noch ans Remastering macht. Uneingeschränkte Empfehlung für das Spiel, in dem sich Hund und Hase Gute Nacht sagen – nur, wer ein bisschen zimperlich veranlagt ist und Mitleid mit der Kreatur hat, auch wenn sie aus allzu eckigen Pixeln besteht, ist vielleicht bei einem etwas weniger schwarzhumorigen Game besser aufgehoben.